Gesundheitswesen 2012; 74(S 01): S3
DOI: 10.1055/s-0032-1316341
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

HBSC-Trend Supplement

HBSC-Trend Supplement
B-M. Kurth
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Publication Date:
26 July 2012 (online)

Mit der dritten repräsentativen Erhebung der HBSC-Studie in Deutschland aus dem Jahr 2010 liegt gemeinsam mit den Erhebungen aus den Jahren 2002 und 2006 ein Datensatz über das Gesundheitsverhalten 11- bis 15-Jähriger vor, der in der Vielfalt der Auswertungsmöglichkeiten kaum zu übertreffen ist:

  1. Die Durchführung der Schülerbefragung nach einem standardisierten Protokoll, das mittlerweile in 43 Staaten zum Einsatz kommt, ermöglicht bislang einmalige internationale Vergleiche, sowohl im Querschnitt (hier aktuell für das Jahr 2010), als auch im Zeitverlauf.

  2. Die nunmehr 3-malige Durchführung der Studie in Deutschland mit einem Basisteil, in dem jeweils dieselben Instrumente zum Einsatz kamen, ermöglicht die Beschreibung und Bewertung zeitlicher Entwicklungen. So können beispielsweise wichtige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Notwendigkeit bzw. auch schon der Wirksamkeit von Interventions- und Präventionsmaßnahmen gezogen werden.

  3. Die mit der Erhebung 2010 gewonnenen aktuellen Ergebnisse über das Gesundheitsverhalten von Schülerinnen und Schülern in Deutschland sind ein wichtiges Segment in der Gesamtdatenlage zur Kinder- und Jugendgesundheit. So trägt die HBSC-Studie in Vernetzung mit anderen Datenquellen zu einer handlungsorientierten Gesundheitsberichterstattung über diese wichtige Bevölkerungsgruppe bei.

Das vorliegende Supplement bedient alle 3 dieser Punkte mit höchst interessanten Ergebnissen. Dabei liegt es in der Natur eines internationalen Verbundprojektes, dass die unter Punkt 1 genannten Auswertungen später erfolgen und an anderer Stelle publiziert werden. Ansatzweise finden sich aber auch hier schon Vergleiche sowohl zeitlicher Trends als auch aktueller Querschnittsergebnisse aus der deutschen HBSC-Studie mit summarisch als „international“ bezeichneten HBSC-Ergebnissen.

Weitaus mehr Raum nehmen die nationalen Auswertungen für Deutschland ein. Ergebnisse zu Fragestellungen, die ohne Einbezug von mehr als einem Messzeitpunkt bislang nicht bearbeitet werden konnten, sind besondere „Highlights“ dieses Supplements. Dazu zählen aus meiner Sicht die Untersuchungen von Moor et al. zur Entwicklung sozioökonomischer Unterschiede in der subjektiven Gesundheit und die Ausführungen von Bucksch et al. zur Entwicklung von Geschlechterunterschieden im gesundheitsrelevanten Verhalten. Diese Ergebnisse sind in schönster Ausprägung „Public Health-relevant“.

Die Ergebnisse zum dritten der weiter oben genannten Schwerpunkte umfassen Inhalte (Alkohol- und Drogenkonsum, Lebensqualität, psychische Gesundheit, subjektive Gesundheit, Body Mass Index), die in Deutschland durchaus auch von anderen Studien erhoben werden. Hier ist es besonders wichtig, die durch die HBSC-Studie gewonnenen Informationen sowohl methodisch als auch inhaltlich mit den Ergebnissen dieser anderen Studien abzugleichen, was in den meisten Beiträgen hervorragend gelingt. Auf diese Weise leistet die HBSC-Studie einen Beitrag zu einem Netzwerk von Informationen über die Kinder- und Jugendgesundheit und füllt Informationslücken, die andere regelmäßig durchgeführte Untersuchungen wie beispielsweise die Schuleingangsuntersuchungen, die Drogenaffinitätsstudie, regionale Gesundheitssurveys oder auch die KiGGS-Kohorte lassen.

Ich könnte allerdings meiner hohen Wertschätzung der HBSC-Studie im Allgemeinen und dieses Supplementbandes im Besonderen nicht glaubhaft gerecht werden, wenn ich verhehlen würde, dass in letzterem noch Qualitätssteigerungen möglich, bzw. erforderlich sind. Werden hier beispielsweise Übergewicht und Adipositas aufgrund subjektiver Angaben der Schüler zu Körpergröße und -gewicht bestimmt, so ist dies ohne Methodenkritik und Bezugnahme auf die vielen Publikationen zur subjektiven Verzerrung der Resultate kaum vorstellbar (geschieht hier aber). Sätze wie „Entsprechend steigt der Anteil (der Übergewichtigen) bei den 13–jährigen Mädchen von 6% im Jahr 2002, auf 9,2% im Jahr 2010.“ können in Anbetracht der gesundheitspolitischen Bedeutung dieses Themas und der sehr viel höheren gemessenen Prävalenzen nicht unkommentiert bleiben, und sei es auch nur im Editorial.

Insgesamt gibt dieser Supplementband zeitnah zur letzten Erhebung einen ersten Eindruck davon, was alles an möglichen Themen mithilfe der Daten, insbesondere der Trenddaten, der HBSC-Studie bearbeitet werden kann. In Anbetracht dessen, dass für diese Studie keine feste Finanzierung vorliegt und somit die Mittel von den Forschern für jede Erhebung neu eingeworben werden müssen, kann der Einsatz der HBSC-Study Group nicht hoch genug gewürdigt werden. Deren Engagement ist es zu verdanken, dass nunmehr die Daten einer neuen Erhebungswelle vorliegen, der hoffentlich noch weitere folgen werden. Denn es gibt derzeit (leider) keine Hinweise dafür, dass die Alleinstellungsmerkmale der HBSC-Studie auch anderen in Deutschland laufenden Studien zum Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in naher Zukunft zukämen.

Bärbel-Maria Kurth, Berlin