Psychiatr Prax 2011; 38(06): 313
DOI: 10.1055/s-0031-1287701
Mitteilungen der ACKPA
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kurzbericht über den Workshop "Qualität in Psychiatrie und Psychotherapie – Anreize für ein zukunftsfähiges Versorgungssystem"

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Publication Date:
01 September 2011 (online)

 

Verantwortlich für diese Rubrik: Karl H. Beine, Hamm

Der nunmehr 3. Workshop des Netzwerkes "Anreize und Steuerungssysteme für eine moderne psychiatrische Versorgung" hatte das Thema der Qualität psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung. Ca. 50 Teilnehmer trafen sich am 10. Mai 2011 in den Räumen der Immanuel Diakonie Group am kleinen Wannsee in Berlin. Unter den Teilnehmern waren Psychiater, Versorgungswissenschaftler, Vertreter der Krankenkassen, Vertreter des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Mitarbeiter der Gesundheitsverwaltung, aber auch Psychiatrieerfahrene und psychiatrisch interessierte Laien. Durch diese Zusammensetzung der Workshopteilnehmer ergab sich eine über den gesamten Tag bestehende sehr intensive Diskussion.

Markus Kösters von der Universität Ulm stellte eingangs die Problematik sinnvoller Qualitätsparameter für die psychiatrische Versorgungsforschung vor. Für an Schizophrenie erkrankte Patienten hat die Universität Ulm ein Set von Qualitätskriterien entwickelt, welches in Zukunft sowohl zur Qualitätssicherung der Behandlungen als auch zur Planung neuer Versorgungsformen herangezogen werden kann. In der Diskussion wurde deutlich, wie komplex die klinisch-psychiatrischen wie auch die biometrischen Probleme bei der Entwicklung von Qualitäts parametern für die Psychiatrie sind.

Der Beitrag von Martin Lambert der Universität Hamburg konzentrierte sich auf die aktuell im psychiatrischen Versorgungssystem festzustellene Fehlsteuerung und deren negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität. Er stellte das Hamburger Modellprojekt zur Versorgung schizophren Erkrankter vor, welches beeindruckende Verbesserungen des Behandlungsergebnisses an Kennzahlen wie Verweildauer, Wiederaufnahmerate und sozialer Integration erreichen konnte.

Besonders hervorzuheben ist der Beitrag der Psychiatrieerfahrenen, der von der Genesungsbegleiterin Anja Henke aus Potsdam vorgetragen wurde. Sie mahnte an, dass Qualitätskriterien auch aus Sicht der Betroffenen und in Zusammenarbeit mit diesen entwickelt werden müssen: "Qualitätsmanagement im psychiatrischen Bereich erfordert die konsequente Einbeziehung der Nutzer, sowohl bei der Definition von Qualitätszielen als auch bei der Bewertung von Ergebnisqualität". Frau Henke forderte, dass in die Weiterentwicklung von Klinikkonzepten Nutzer einzubinden sind, ebenso das Strukturmerkmal eines trialogisch besetzten Beirates und die Institutionalisierung verschiedener anderer trialogischer Diskussionsformen um die psychiatrische Behandlung.

Aus Sicht der Kostenträger kommentierte Stephan Wörmann vom Verband der Ersatzkrankenkassen in Berlin die schon lange bestehende Qualitätsdebatte der Psychiatrie und die verschiedenen Anläufe zur Qualitätssicherung, die sich in den letzten 20 Jahren ereignet haben. Im Ausblick stellte er den Mechanismus vor, mit dem zukünftig eine sektorübergreifende psychiatrische Behandlung mit wenigen ausgewählten Qualitätskriterien begleitet werden soll: es wird beim Gemeinsamen Bundesausschuss eine Arbeitsgruppe für psychiatrische Qualität etabliert werden, die dann einen Forschungsauftrag an das ACQUA-Institut vergeben wird.

Clemens Firnenburg berichtete aus Sicht des medizinischen Dienstes der Krankenkassen und stellte vor allem die sehr weit fortgeschrittene psychiatrische Berichterstattung des Landes Niedersachsen in den Mittelpunkt seines Beitrages.

In den nachmittaglichen Workshops wurde die Qualität der psychiatrischen Versorgung auf der Ebene des individuellen Patienten, der Institution Krankenhaus und des gemeindepsychiatrischen Verbundes diskutiert. Die Arbeitsgruppe zum Patienten stellte anschließend einige wenige Parameter vor, die für eine zukünftige Qualitätssicherung geeignet sein könnten. Die Arbeitsgruppe zum Krankenhaus stellte vor allem fest, dass geeignete Parameter zur Beurteilung des Krankenhauses noch nicht vorliegen und zunächst die Frage diskutiert werden müsse, wie sich das psychiatrische Krankenhaus in Zukunft aufstellen solle. Die Arbeitsgruppe zum gemeindepsychiatrischen Verbund stellte vor allem vor, das Qualität nur dann sinnvoll für die Psychiatrie angenommen werden kann, wenn eine langfristige Therapieplanung personenzentriert im Kontext aller Leistungserbringer erfolgt und in einem Verbund abgestimmt wird.

In der Schlussdiskussion wurden die verschiedenen Perspektiven des Tages noch einmal zusammengeführt. Es wurde deutlich, dass das Qualitätsthema in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen wird aufgrund der Entwickung neuer Finanzierungsformen nach §17d KHG, aber auch, um die erfolgreichen Modellprojekte alternativer psychiatrischer Krankenhausversorgung hinsichtlich der von ihnen erzielten Ergebnisse gut abbilden zu können. Insofern beschließt das Netzwerk, Grundaussagen zur Qualitätsmessung und -sicherung in das Arbeitspapier des Netzwerkes einzuarbeiten und bis zum Herbst ein Set von Qualitätskriterien zu entwickeln, welches der Diskussion mit den Kostenträgern und der Leistungserbringungsseite um zukünftige alternative Versorgungsformen die notwendige Überzeugungskraft geben kann.

Bettina Wilms, Arno Deister,
Martin Heinze, Christian Kieser