Psychiatr Prax 2010; 37(8): 413
DOI: 10.1055/s-0030-1268367
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Praxis der Schematherapie

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Publication Date:
05 November 2010 (online)

 

Die von Jeffrey Young entwickelte Schematherapie folgt dem aktuellen Trend, bekannte Therapieelemente in einem neuen Kontext zu verbinden. So werden auf der Grundlage neurobiologischer Vorgänge hauptsächlich verhaltenstherapeutische mit psychodynamischen Aspekten – besonderer Wert wird hierbei auf die Bindungstheorie sowie die therapeutische Beziehung gelegt – kombiniert. In der therapeutischen Arbeit werden zusätzlich Methoden aus der Gestalttherapie eingesetzt.

Young versteht unter frühen maladaptiven Schemata das, was sich an negativen Beziehungserfahrungen aus der Kindheit im Gehirn festgesetzt hat, unbewusst das Verhalten im Hier und Jetzt steuert und sich besonders unter Belastungen dysfunktional auswirkt.

Um gerade in diesen Situationen in neue, funktionale Verhaltensmuster wechseln zu können, werden in der Schematherapie nach Identifikation der vorliegenden Schemata emotionale Prozesse, die für den Patienten konflikthaft und unangenehm sind, direkt aktiviert, wobei Elemente wie Stuhlarbeit und Imaginationen zu Hilfe genommen werden. Auf diese Weise können neue neuronale Strukturen entstehen, die eine Verhaltensänderung idealerweise auch in schwierigen Lebenslagen erlauben.

Das vorliegende Buch ist in sechs Kapitel unterteilt. Im ersten werden die Grundlagen der Schematherapie erläutert, wobei das Hauptgewicht auf die neurobiologischen Zusammenhänge gelegt wird. Im zweiten Kapitel werden das Schemamodell mit seinen fünf Domänen sowie das Modusmodel, welches speziell auf die innerseelische Konfliktdynamik von Borderlinepatienten abgestimmt wurde, eingeführt und ausführlich erklärt. Das dritte Kapitel ist dem Therapieprozess und dem Therapierational gewidmet. Hauptsächlich kommt dabei die ressourcenaktivierende Beziehungsgestaltung zur Sprache, die die Grundlage für die Aktivierung des Problems durch emotionale Exposition und die anschließende Problemklärung, in der die Mentalisierung eine große Rolle spielt, bildet. Die Arbeit mit speziellen Techniken beherrscht das vierte Kapitel. Besondere Bedeutung hat hierbei die emotionale Aktivierung durch Imagina tion und die Einleitung der Verhaltensänderung nach dem BEATE-Prinzip. Danach wird die Stuhlarbeit mit inneren Dialogen auf mehreren Stühlen geschildert, die für die Schemamodifikation wichtig sein kann.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit schwierigen Therapiesituationen wie z.B. Krisen, stockenden Therapieprozessen und der Ablösephase, wobei der Leitfaden für Konfliktgespräche mit seinen konkreten Formulierungsbeispielen und die Schilderung anhand von Fallvignetten sehr hilfreich sind.

Das Buch schließt mit dem sechsten Kapitel, in dem auf die neuen Entwicklungen in der Schematherapie hingewiesen wird.

Hervorragend gelungen erscheint das Kapitel über die neurobiologischen Grundlagen, wodurch das Verständnis für die emotionale Aktivierung der Schemata in der Therapiesituation geweckt und die Neuroplastizität des Gehirns noch einmal deutlich gemacht wird. Insgesamt ist die Schematherapie mit Schemafragebögen, Schemamemo und Schematagebuch trotz Hinzunahme von psychodynamischen Elementen vorwiegend verhaltenstherapeutisch orientiert, sodass es Therapeuten mit psychodynamischer Ausrichtung eher schwer fallen dürfte, das gesamte schematherapeutische Konzept zu übernehmen. Allerdings scheint es hilfreich, die Schemata und Modi, die sehr übersichtlich und strukturiert dargestellt sind, gerade auch in der tiefenpsychologischen Therapie zu nutzen, um die Fokussuche zu beschleunigen. In diesem Sinne ist das Buch für Leser aller Therapierichtungen in jedem Fall ein Gewinn.

Susanne Bachthaler, Ravensburg

Email: susanne.bachthaler@zfp-zentrum.de

Roediger E. Praxis der Schematherapie. Stuttgart: Schattauer, 2009, 44,95 €

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