Laryngorhinootologie 2024; 103(05): 385-388
DOI: 10.1055/a-2255-8197
OP-Techniken

Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Eingriffe beim Hypopharynxdivertikel

Transorale Chirurgie

In den letzten Jahren hat die transoral vorgenommene Schwellendurchtrennung zunehmend Verbreitung gefunden. Im Gegensatz zur transzervikalen Operationstechnik kann die transorale Schwellendurchtrennung ohne deutlich erhöhtes Risiko wiederholt ausgeführt werden. Da die funktionellen Ergebnisse meist sehr gut und eine geringere Komplikationsrate gegenüber dem transzervikalen Vorgehen resultiert, insbesondere was das Auftreten von akzidentellen Rekurrensparesen betrifft, ist die transoral vorgenommene Schwellendurchtrennung, sei sie laserchirurgisch oder mit dem Stapler durchgeführt, beim Zenker-Divertikel die inzwischen vielfach bevorzugte Therapie.

OP-Prinzip

Transorale Durchtrennung der durch den M. cricopharyngeus gebildeten Schwelle mit dem CO2-Laser oder dem Stapler.


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Indikation

Radiologisch nachgewiesene, symptomatisch gewordene Hypopharynxdivertikel.


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Kontraindikation

Nur bei Narkoseunfähigkeit, starker HWS-Kyphose oder -Versteifung, HWS-Bandscheibenvorfall, nicht exponierbarer Schwelle.


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Spezielle Patientenaufklärung

  • Zahnschäden bis Zahnverlust

  • Schluckstörung, Magensonde

  • Heiserkeit bis Stimmverlust

  • Luftnot, Tracheotomie mit Einlage einer Trachealkanüle

  • Pneumonie, Pneumothorax

  • Schleimhautverletzung, Ösophagusperforation

  • Mediastinitis, Pneumomediastinum

  • Läsion (evtl. bleibend) des N. lingualis und sublingualis

  • Lähmung (evtl. bleibend) des N. hypoglossus (Druckläsion)

  • Lähmung (evtl. bleibend) des N. glossopharyngeus (Druckläsion)


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Spezielle Instrumente

Spreizdivertikuloskop, CO2-Laser oder Klammernahtgerät (sog. Stapler).


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Anästhesie

Intubationsnarkose.


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OP-Technik

Zunächst starre Ösophagoskopie nach Einsetzen des Zahnschutzes. Hierdurch lässt sich bereits abschätzen, inwieweit sich Schwierigkeiten bei der Darstellung der Schwellung mit dem Divertikuloskop ergeben.

Einführen des Divertikuloskops

In Rückenlage mit flachem Polster unter den Schultern wird der Kopf rekliniert und ein Zahnschutz eingesetzt. Dann vorsichtiges Einführen des Spreizdivertikuloskops wie bei der vorherigen starren Ösophagoskopie mit Passage der Postkrikoidregion nach Darstellen des Endolarynx und der Aryhöcker. Durch leichtes Anheben und simultanes Vorschieben des Divertikuloskops wird jetzt die sich aufspannende Schwelle erkennbar. Einsetzen der Haltevorrichtung wie bei der Mikrolaryngoskopie und Aufspannen des Divertikuloskops. Die dorsale Branche spannt den Divertikelsack auf, die ventrale weitet das Lumen des Instruments ([Abb. 1a]). Nach Darstellen der Divertikelschwelle unter dem Mikroskop müssen gelegentlich nun vorzufindende unverdaute Speisereste aus dem Divertikelsack entfernt und der gesamte Situs mit desinfizierenden Lösungen gespült werden. Jetzt Einlegen der nasogastralen Sonde mit sicherer Platzierung in das Ösophaguslumen, da dieses weniger traumatisch als im fortgeschrittenen Stadium der Operation ist.

Zoom Image
Abb. 1 Transzervikale Operation des Hypopharynxdivertikels von links. a Darstellung des Divertikelsacks. Die Gefäß-Nerven-Scheide ist nach lateral gehalten, Larynx und Schilddrüse zur Gegenseite rotiert. Präparation des Divertikels von der Prävertebralfaszie her. b Der angezogene Divertikelsack ist an den Ösophagus gestielt. Der quer verlaufende M. constrictor pharyngis (1) wird in der Medianlinie unter mikroskopischer Kontrolle durchtrennt.

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Laserchirurgische Schwellendurchtrennung

Nach Treffen der üblichen Schutzmaßnahmen und Einstellen der Schwelle mit dem Mikroskop wird die Schleimhaut und anschließend die freigelegte Muskulatur in der Mitte inzidiert (1–3 Watt, gepulst oder Superpuls, minimale Spotgröße < 0,25 mm) ([Abb. 1b]). Dies wird fortgesetzt, bis der Muskel komplett durchtrennt ist ([Abb. 1c]). Die jetzt entstandene Wunde ermöglicht eine freie Sicht in das Mediastinum und den Ösophagus. Am Ende der Operation besteht eine breite Passage in den Ösophagus ([Abb. 1 d]).


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Schwellendurchtrennung mit dem Staplergerät

Nach Darstellen der Divertikelschwelle mit dem Divertikuloskop wie oben beschrieben wird das Staplergerät eingeführt, die beiden Branchen werden vor der Schwelle geöffnet und mittig platziert. Nun Schließen des Klammernahtgeräts, wodurch der Schleudermuskel durchtrennt und gleichzeitig durch eine mehrreihige Klammernaht verschlossen wird.

  • Vorteil: keine nasogastrale Sonde

  • Nachteil: Präoperativ muss obligat die Existenz einer so genannten A. lusoria ausgeschlossen werden. Außerdem ist die zuverlässige, vollständige Myotomie nur bei großen Divertikeln möglich und wird von den Autoren nur im Stadium Brombart 4 vorgenommen.

Regeln, Tipps und Tricks

Die komplette Durchtrennung des Muskels ist unerlässlich.

Risiken und Komplikationen
  • Extrem selten sind schwere intraoperative Blutungen. Durch die Verwendung des Operationsmikroskops und geringer Wattzahl bei Verwendung des CO2-Lasers ist das Blutungsrisiko aber sehr gering, da Pulsationen rechtzeitig erkannt und die Gewebeschichten mit nur geringer Eindringtiefe durchtrennt werden. Dennoch kann es gelegentlich erforderlich sein, Blutungen unter mikroskopischer Kontrolle zu koagulieren; dies sollte möglichst bipolar erfolgen.

  • Im Vergleich zur Schwellendurchtrennung mit dem Stapler kommt es beim laserchirurgischen Vorgehen obligat zu einer Eröffnung des Mediastinums. Hierdurch entsteht eine meist irrelevante Begleitmediastinitis, die durch eine engmaschige CRP-Bestimmung kontrolliert wird.

  • Ösophagusdefekt, Lungenembolie, Bronchopneumonie.


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Nachbehandlung

Die postoperative Überwachung ist nach Stapleranwendung unproblematischer als nach Laserchirurgie.

Maßnahmen nach Laserchirurgie:

  • Antibiotikumprophylaxe (Cephalosporin/Metronidazol)

  • nasogastrale Sonde über mehrere Tage

  • H2-Antagonist, Protoneninhibitoren

  • CRP-Bestimmung am ersten postoperativen Tag, dann alle zwei Tage (bei CRP-Erhöhung > 50 mg/ml Thorax-CT (Fragestellung: operationsbedürftige Mediastinitis?) und ggf. Umstellen der Antibiotikumtherapie


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Wahl des endoskopischen Vorgehens

Nach Einführung der transoral vorgenommenen laserchirurgischen Schwellendurchtrennung war dieses Verfahren lange Zeit die Therapie der Wahl. Die Schwellendissektion mit dem Stapler scheint aber weniger Komplikationen durch eine fehlende oder weniger ausgedehnte mediastinale Eröffnung mit sich zu bringen. Komplikationen, z. B. Blutungen, gibt es allerdings auch mit diesem Verfahren, weswegen die Behandlung eines Zenker-Divertikels immer mit besonderer Vorsicht zu planen und auszuführen ist. So ist die laserchirurgische Schwellendurchtrennung von der Klammernahttechnik keinesfalls abgelöst. Es gibt immer wieder Situationen, bei denen der Stapler nicht adäquat in der Schwelle positioniert werden kann. Gefordert ist die Kenntnis über beide endoskopische Verfahren und ebenso über die Divertikulotomie von außen, um dieses Krankheitsbild adäquat behandeln zu können, falls sich intraoperativ zeigen sollte, dass die endoskopischen Verfahren doch nicht angewandt werden können.


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Zenker-Divertikel-Resektion von außen

Indikation

Transoral nicht einstellbare Divertikelschwelle.


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Kontraindikation

Narkoseunfähigkeit.


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Spezielle Patientenaufklärung

  • Gefühlsstörung im Bereich des Halses bzw. der Ohren

  • Nichtanwachsen des Hautlappens

  • Lähmung (evtl. bleibend) des Schulter-, Eingeweide-, Zwerchfell-, Zungen-, Unterzungen-, Stimmlippen- und Gesichtsmuskelnervs

  • Heiserkeit bis Stimmverlust

  • Luftnot, Tracheotomie mit Einlage einer Trachealkanüle

  • unbefriedigendes kosmetisches Ergebnis, hypertrophe Narbenbildung

  • ggf. Erweiterung des Hautschnitts

  • Schleimhautverletzung, Mediastinitis

  • persistierende Sekretion von Lymphflüssigkeit


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OP-Technik

  • Lagerung: Rückenlage, Kopf nach rechts gedreht, rekliniert, Schultern flach unterpolstert.

  • Endoskopie: mit dem starren Ösophagoskop kann die Operationsindikation bestätigt werden. Außerdem ist es möglich, das Einführen einer nasogastralen Sonde zu erleichtern/ermöglichen. Schließlich kann ein armierter Tupfer in den Divertikelsack platziert werden, der das transzervikale Auffinden des Divertikelsacks im späteren Verlauf erleichtert.

  • Schnittführung und Präparation bis zur Prävertebralfaszie: Hautschnitt entlang des Vorderrands des linken M. sternocleidomastoideus, vom Jugulum bis in Zungenbeinhöhe. Darstellen der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus, Aufsuchen der Gefäß-Nerven-Scheide, danach Durchtrennung des M. omohyoideus. Medial der Gefäß-Nerven-Scheide, die mit Langenbeck-Haken zur Seite gehalten wird, stumpf präparierend Vorgehen auf die Prävertebralfaszie. Unterbindung querer Schilddrüsenvenen, ggf. Unterbindung der A. thyreoidea superior und, falls hinderlich, auch der A. thyreoidea inferior möglichst weit lateral.

  • Identifikation und Darstellung des Divertikelsacks: Durch Palpation der Ringknorpelplatte lässt sich der Divertikelhals lokalisieren. Unter Aufspreizen und vorsichtigem Abschieben des umgebenden Bindegewebes wird von dort her der gesamte Divertikelsack entwickelt ([Abb. 1a]). Man hält sich strikt an die Hinterwand von Hypopharynx und Ösophagus, um den N. recurrens nicht zu gefährden. Nach Erreichen der Spitze des Divertikelsacks wird dieser mit einer stumpfen Klemme angeklemmt und hochgehalten. Der Sack lässt sich dann vollständig aus Muskel- und Bindegewebe lösen, bis der Divertikelhals ringsum dargestellt ist ([Abb. 1b]).

  • Myotomie: Die quer verlaufende Muskulatur des Schleudermuskels wird in der Medianlinie nach vorsichtigem Aufspreizen und bipolarer Koagulation unter mikroskopischer Kontrolle ohne Schleimhautverletzung in kaudaler Richtung über eine Strecke von etwa 20 mm durchtrennt. Diese Maßnahme ist unverzichtbar.

  • Absetzen kleiner Divertikel: Kleinere Divertikel können eingestülpt werden. Der Divertikelhals wird zunächst mit einer Tabaksbeutelnaht umfahren und der Sack dann durch diese Enge nach innen versenkt, die Naht geschlossen und nochmals übernäht. Diese Methode bietet den Vorteil, den Patienten ohne nasogastrale Sonde postoperativ versorgen zu können.

  • Absetzen größerer Divertikel: An der Hypopharynxdivertikelgrenze werden zwei Orientierungsnähte gelegt. Etwa 2 cm kranial dieser Grenze wird der Divertikelsack abgeklemmt, der dann abgetragen wird. Die Schnittränder werden mit invertierenden Einzelknopfnähten versorgt (Fadenstärke 4/0 oder 3/0) und nochmals mit einer zweiten Nahtschicht überdeckt. Immer ist die Myotomie der Pars fundiformis des M. cricopharyngeus obligat.

  • Wundverschluss: Einlage einer kleinen Saugdrainage, schichtweiser Wundschluss.

Regeln, Tipps und Tricks

Vor der transzervikalen Exposition und Entfernung des Divertikels empfiehlt es sich, einen armierten Tupfer in das Divertikel über eine starre Endoskopie einzubringen, sofern dies möglich ist. Der so eingebrachte Tupfer erleichtert die spätere Identifikation des Divertikels.

Risiken und Komplikationen
  • Perforation des Divertikelfundus oder des Ösophagus, sofortige Übernähung

  • Nahtinsuffizienz mit ösophagokutaner Fistel oder Mediastinitis: operative Revision

  • Blutungen: operative Revision

  • Nervus-recurrens-Läsion, evtl. bleibende Dysphonie

  • Stenose nach zu ausgiebiger Exzision des Divertikelsacks; Dehnungsbehandlung bzw. Ösophagusplastik


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Nachbehandlung

Ernährung über nasogastrale Sonde für mehrere Tage, dann Kostaufbau nach unauffälligem Befund im Ösophagogramm. Antibiotikagabe nur bei Resektion des Divertikels, Drainage etwa nach zwei Tagen entfernen.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollständig überarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
02 May 2024

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