Psychiatr Prax 2006; 33(7): 356-357
DOI: 10.1055/s-2006-954425
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Messung der subjektiven Lebensqualität bei Patienten mit Schizophrenie aus Sicht der pharmazeutischen Industrie

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13 October 2006 (online)

 

Die therapeutischen "Outcome"-Kriterien in der Schizophreniebehandlung befinden sich zunehmend in einem konzeptionellen Wandel mit verstärktem Fokus auf Messungen der Lebensqualität [[1]-[4]]. In einer Beobachtungsstudie bei mehreren tausend ambulanten Schizophreniepatienten zeigte sich ein Zusammenhang von verbesserter Psychopathologie und reduzierten EPS mit einer verbesserten subjektiven Lebensqualität und Compliance [[5]]. Insofern wären komplexere Messungen der Lebensqualität nicht zwingend erforderlich, wenn traditionelle Parameter wie die Psychopathologie oder extrapyramidale Störungen bereits ein überlegenes Risiko-/Nutzenverhältnis von neuen über ältere Medikamente belegen. Für die Industrie ist Lebensqualität jedoch auch dann relevant, wenn Lebensqualitätsmessungen eine therapeutische Entscheidung zwischen unterschiedlichen neueren Substanzen unterstützen könnten, die sich z.B. in ihren Nebenwirkungsprofilen nur marginal unterscheiden. Darüber hinaus sind Messungen zur Lebensqualität notwendig, um den Nutzen von medizinischen Interventionen und Technologien durch das Gesundheitswesen ökonomisch zu evaluieren ("Quality adjusted life years"). Die Empfehlungen klinischer Forscher und wissenschaftlicher Berater für Gesundheitsbehörden und die pharmazeutische Industrie zu Messungen der Lebensqualität sollten jedoch aufgrund der bekannten methodischen Schwierigkeiten wie insbesondere einer hohen allgemeinen und auch krankheitsspezifischen Komplexität der Messinstrumente einfacher und praktikabler für Langzeitstudien sein. Das "National Institute for Clinical Excellence" (NICE) in London, UK, kam in einer aktuelle Analyse der Evidenz bisheriger klinischer Studien mit Antipsychotika zu der Schlussfolgerung, dass die untersuchten Endpunkte zu sehr Symptom- oder Arzt-orientiert waren. Funktionelle Auswirkungen, wie das soziale Funktionsniveau oder die Arbeitsfähigkeit wurden selten untersucht. Ebenso wurde selten die Patientenzufriedenheit oder die Belastung der Familienangehörigen dokumentiert. In einem unlängst durchgeführten Zulassungsverfahren mit einem neu entwickelten atypischen Antipsychotikum wurden daher auch Effekte auf das soziale Funk„tionsniveau mittels einer neuen Skala ("Personal and Social Performance Scale", PSP) untersucht. Erstmals werden hier auch diese Daten als Maß für einen Patientenrelevanten Endpunkt zur Einreichung bei den regulatorischen Behörden (FDA, EMEA) verwendet. Das in 2004 gegründete "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWiG) soll in Deutschland den Nutzen medizinischer Leistungen für den Patienten beurteilen. Allerdings bleibt es ohne eine Spezifizierung anerkannter methodischer Standards zur Messung der Lebensqualität und patientenrelevanter Endpunkte weiterhin schwierig für die pharmazeutische Industrie, prospektive Studien mit primären Endpunkten hierzu durchzuführen. Bei einer Festlegung von Standards zwischen regulatorischen Behörden und pharmazeutischer Industrie wäre es aufgrund neuerer Ergebnisse wichtig, auch die durch den Patienten subjektiv wahrgenommene Lebensqualität zu erfassen.

Dr. Joerg Czekalla

Executive Director, Medizinischer Fachbereich ZNS, Janssen-Cilag GmbH, Neuss & Dr. Martin Gerwe, Medical Affairs Manager, Janssen-Cilag GmbH, Neuss

Literatur

  • 01 Naber D . Karow A . Lambert M . Psychosocial outcomes in patients with schizophrenia: Quality of life and reintegration.  Curr Opin Psychiatry. 2002;  15 31-36
  • 02 Franz M . Lis S . Plüddemann K . Gallhofer B . Conventional versus atypical neuroleptics: Subjective quality of life in schizophrenic patients.  Br J Psychiatry. 1997;  170 422-425
  • 03 Kilian R . Dietrich S . Toumi M . Angermeyer MC . Quality of life in persons with schizophrenia in out-patient treatment with first- or second-generation antipsychotics.  Acta Psychiatr Scand. 2004;  110(2) 108-118
  • 04 Ritsner M . Gibel A . Perelroyzen G . Kurs R . Jabarin M . Ratner Y . Quality of life outcomes of risperidone, olanzapine, and typical antipsychotics among schizophrenia patients treated in routine clinical practice: a naturalistic comparative study.  J Clin Psychopharmacol. 2004;  24(6) 582-591
  • 05 Karow A . Czekalla J . Dittman RW . Siemer A . Wagner T . Lambert M . Schimmelmann BG . Naber D . Association of subjective well-being and compliance. J Clin Psychiatry 2006 (in press). 
  • 06 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Methoden 2005. www.iqwig.de
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