Arzneimittelforschung 2011; 61(11): 641
DOI: 10.1055/s-0031-1300569
PMS-Symposium Innovative Therapies in Palliative Care
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Palliative Therapie bei Hochbetagten und Demenzkranken

Klaus Maria Perrar
1   Zentrum für Palliativmedizin, Uniklinik Köln
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Publication Date:
06 February 2012 (online)

Die Therapie bei Hochbetagten bedeutet fast regelmäßig die Therapie multimorbider Patienten. Wenn auch im Einzelfall die ICD-10-Kriterien einer Demenz nicht erfüllt sind, leidet doch ein beträchtlicher Teil dieser älteren Patienten vor dem Tode an deutlichen kognitiven Einbußen. Mit Fortschreiten der Krankheit sind Menschen mit Demenz zur Entscheidungsfindung immer häufiger auf stellvertretende Personen angewiesen. Medizinische Eingriffe oder Therapieplanungen können wegen der schwindenden Einsichtsfähigkeit mit dem Betroffenen selbst kaum noch verbindlich besprochen werden. Die Fähigkeit, missliebige Zustände wie Schmerzen, Angst, qualvolle Unruhe, Übelkeit, Atemnot, Obstipation, Halluzinationen oder wahnhaftes Erleben verbal zu äußern, geht allmählich verloren. Menschen mit Demenz sind deshalb – wie andere, verbal nicht äußerungsfähige Menschen – auf eine besondere Sensibilität in der Beobachtung und Interpretation ihrer Verhaltensweisen angewiesen.

Die Demenz allerdings mit der Diagnosestellung als palliativmedizinische Erkrankung zu definieren, greift zu kurz. So fühlen sich Menschen mit Demenz nicht selten gesund, attraktiv und leistungsfähig. Wie bei onkologischen palliativmedizinischen Erkrankungen auch, muss vielmehr über die diagnostische Zuordnung hinaus eine leidverursachende Symptomatik identifiziert werden. Hier stellt die Demenz mit ihrer Sprachveränderung, verminderten Urteils- und Denkfähigkeit sowie der Anosognosie eine besondere Herausforderung an die Erfassung, Beurteilung und Therapie dieser Symptome dar. So können Schmerzen mit fortschreitender Demenz immer weniger über Selbstauskunft erfasst werden, sondern müssen mittels geeigneter Assessment-Instrumente, wie zum Beispiel der Skala zur Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD, Basler et al. 2006), beurteilt werden.

Eine unverändert kritische Diskussion wird um die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) geführt. Evidenzbasierte Analysen (Sampson et al. 2009, Synofzik 2007) kommen zu dem Ergebnis, dass der Nutzen einer PEG-Anlage bei fortgeschrittener Demenz nicht belegt ist. Untersuchungen zu Verläufen der Demenz legen dagegen nahe, dass die Zunahme der Probleme bei der Nahrungsaufnahme als ein Aspekt der Sterbeprozesse interpretiert werden kann (Mitchell 2009).

 
  • Literatur

  • 1 Basler HD et al. Beurteilung von Schmerz bei Demenz (BESD) – Untersuchung zur Validität eines Verfahrens zur Beobachtung des Schmerzverhaltens. Schmerz. 2006; 20: 519-26
  • 2 Mitchell SL et al. The clinical course of advanced dementia. N Engl J Med. 2009; 361: 1529-38
  • 3 Sampson EL et al. Enteral tube feeding for older people with advanced dementia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009; (Issue 2) Art. No.: CD007209.
  • 4 Synofzik M. PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz: eine evidenzgestützte ethische Analyse. Nervenarzt. 2007; 78: 418-28