Zusammenfassung
Hintergrund
Seit geraumer Zeit wird der Selbstfürsorge mehr Bedeutung beigemessen. Dies scheint eine Reaktion auf gestiegene (Arbeits-)Anforderungen und daraus resultierende Folgen, wie Stresserleben und Burnout zu sein. Der wissenschaftliche Kenntnisstand hinsichtlich des präventiven Nutzens der Selbstfürsorgepraxis ist bis dato jedoch gering.
Fragestellung
Anhand zweier empirischer Studien wird der langfristige präventive Nutzen der Selbstfürsorge untersucht und diskutiert.
Material und Methoden
Am Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau wurde das Seminar „Besser leben! – Selbstfürsorge für psychosoziale Fachkräfte“ konzipiert, mit dem Ziel, arbeitsbedingten Belastungsfolgen – wie Stress und Burnout – bei der Zielgruppe vorzubeugen. Das Seminar wurde im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie evaluiert. Eine Anschlussstudie, ca. 3 Jahre später, gibt Aufschluss über die langfristige Wirksamkeit der Selbstfürsorge.
Ergebnisse
Die Studienergebnisse legen nahe, dass mit der Selbstfürsorge ein präventiver Nutzen einhergeht. Dafür spricht u. a. die Reduktion des subjektiven Stresserlebens sowie des Ausmaßes an Erschöpfung bei den Seminarteilnehmern. Die Veränderungen konnten sowohl 6 Wochen, als auch ca. 3 Jahre nach der Seminarteilnahme nachgewiesen werden. Zu beiden Zeitpunkten zeigten sich vielfältige weitere positive Veränderungen bei den Probanden. Viele haben begonnen, aktiv zu ihrem Wohlergehen beizutragen, beispielsweise indem sie Belastungen reduzieren und persönliche Ressourcen nutzen. Auch ist ein funktionalerer Umgang mit dem Stresserleben zu erkennen.
Schlussfolgerungen
Die gewonnenen Erkenntnisse liefern erste Hinweise, dass mit der Selbstfürsorgepraxis ein langfristiger präventiver Nutzen einhergeht. Zusammen mit einer Vielzahl positiver Veränderungen, von denen Selbstfürsorgepraktizierende berichten, spricht dies dafür, dass es sich lohnt, „gut für sich zu sorgen“.
Abstract
Background
In recent years, there has been an increasing interest in the concept of self-care. This development seems to be a reaction to increased (job) demands and the resulting consequences, such as stress or burnout. However, to date there is only little empirical evidence concerning the preventative effect of self-care.
Objectives
On the basis of two empirical studies the long-term benefit of self-care will be presented and discussed.
Methods
At the Centre for Educational Research at the University of Koblenz-Landau a new seminar for psychosocial workers was developed. The aim of the training is to prevent work-related health problems such as stress and burnout by teaching the participants how to practice self-care. The training was evaluated in a randomized controlled trial. A further study, conducted 3 years later, sheds light on the long-term effectiveness of practicing self-care.
Results
The findings suggest that the practice of self-care seems to have a preventative effect. The analyses revealed a reduction of perceived stress and exhaustion among the participants of the self-care seminar. These results were found both 6 weeks and 3 years after the participation in the seminar. Both surveys revealed further positive changes reported by the participants. Many of them have begun to actively promote their well-being, e.g. by reducing their workload and by using personal resources to an increasing degree. They also deal with stress in a more effective way.
Conclusions
The findings provide initial evidence that self-care practice seems to have a long-term preventative benefit. Along with the numerous positive changes reported by self-care practitioners, this suggests that it might be worth to take good care of yourself.
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Förderung
Die Evaluation des Besser leben!-Seminars sowie die Folgestudie wurden gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit.
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Interessenkonflikt
C. Dahl gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Einhaltung ethischer Standards wurde gewährleistet: Alle Studienteilnehmer wurden über die Ziele und den Ablauf der Studie informiert. Insbesondere wurde über die Freiwilligkeit, das Recht, die Studienteilnahme abzubrechen sowie das anonymisierte Vorgehen aufgeklärt. Alle Informationen wurden schriftlich ausgehändigt. Von allen Teilnehmern liegen Einverständniserklärungen vor. Mit der Ethikkommission der Universität Koblenz-Landau wurde mündlich Rücksprache gehalten.
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Dahl, C. Warum es sich lohnt, gut für sich zu sorgen. Präv Gesundheitsf 14, 69–78 (2019). https://doi.org/10.1007/s11553-018-0650-5
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