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Published Online:https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000229

Beim Sport handelt es sich um ein sehr emotionales Unterfangen. Das Auftreten von intensiven positiven und negativen Emotionen macht den Sport für Zuschauerinnen und Zuschauer besonders attraktiv (Cottingham, 2012). Millionen von Menschen werden bei großen Wettkämpfen, wie z.B. bei Olympischen Spielen oder bei Fußballweltmeisterschaften, vor Bildschirmen gefesselt oder in Stadien mitgerissen. Emotionen können Sport zu einem Großspektakel machen.

Sport und Emotionen interagieren dabei auf verschiedenen Ebenen miteinander. Im Leistungssport können durch Sieg und Niederlage starke Emotionen bei Sportlerinnen und Sportlern ausgelöst werden (z.B. McAuley, Russel & Gross, 1983), wobei Emotionen gleichzeitig einen Einfluss auf den Ausgang des sportlichen Wettkampfs nehmen (Hanin, 2007). Emotionale Tiefs und Hochs können Sportlerinnen und Sportler entweder in eine tiefe Krise stürzen oder sie zu Bestleistungen beflügeln. Im Freizeit- und Gesundheitssport können positive Emotionen und Wohlbefinden durch sportliche Aktivität gefördert werden (Lubans et al., 2016), wobei die Freude am Sport als eine wichtige Determinante der sportlichen Aktivität gilt (Jekauc, Voelkle, Wagner, Mewes & Woll, 2012). Gelingt es im Rahmen von Sportprogrammen die Freude am Sport zu wecken, besuchen die Teilnehmenden regelmäßiger und langfristiger Sportkurse, als wenn die Freude am Sport weniger ausgeprägt ist (Jekauc, 2015). Im Kontext des Schulsports können intensive Emotionen (z.B. Angst vorm Turnen) auftreten, die die Lernbedingungen positiv bzw. negativ beeinflussen können.

Es ist festzustellen, dass in allen Anwendungsfeldern der Sportpsychologie Emotionen eine wichtige Rolle spielen. Trotz dieser praktischen Relevanz haben Emotionen im Sport im Vergleich zu kognitiven Konstrukten (wie z.B. Selbstwirksamkeit) in der Forschung deutlich weniger Beachtung erfahren. Einer der Gründe für diesen Forschungsmangel liegt in der Schwierigkeit der Erfassung von Emotionen im Sport. Obwohl ein Konsensus bezüglich der Definition von einer Emotion noch aussteht (vgl. z.B. Kleinigma & Kleinigma, 1981), sind sich die meisten Emotionsforscher darin einig, dass es mindestens drei messrelevante Komponenten der Emotionen gibt: 1) subjektive, 2) physiologische und 3) Verhaltenskomponente. Die derzeitige sportpsychologische Forschung hat sich jedoch weitgehend auf das subjektive Erleben beschränkt, welches vor allem prospektiv oder retrospektiv durch quantitative Fragebögen und durch qualitative Interviews erfasst wird.

Mit diesem Themenheft soll die Bedeutung von Emotionen im Sport gewürdigt werden. Im Positionspapier von Fritsch, Elbe und Hatzigeorgiadis plädieren die Autoren und die Autorin für eine verstärkte Berücksichtigung der Verhaltenskomponente in der sportpsychologischen Emotionsforschung. Die Verhaltenskomponente ermöglicht mit der Methode der systematischen Verhaltensbeobachtung die Erfassung der Emotionen in ihrem natürlichen Kontext (z.B. im Wettkampf) ohne den aktiven Eingriff ins Spielgeschehen und bietet damit Einsichten über die Auswirkungen der Emotionen auf die eigene Leistung sowie die des Gegners oder der Gegnerin. Durch die Erweiterung und Kombination der Komponenten bei der Erfassung von Emotionen im Sport ergeben sich neue interessante Möglichkeiten und Fragestellungen für die sportpsychologische Forschung. Die rasante Entwicklung der mobilen Technologien (z.B. drahtloses Eye-Tracking, mobile Erfassung von Kardiographie, elektrodermaler Aktivität in Kombination mit ambulantem Assessment) lässt Erweiterungen dieser Forschungsrichtung und ihrer Anwendungen in naher Zukunft vermuten.

Der erste Originalbeitrag in diesem Themenheft wird der Tatsache gerecht, dass Emotionen nicht nur ein Phänomen auf der individuellen Ebene sind, sondern auch ein soziales Phänomen darstellen. In jeder Trainer-Athlet-Beziehung spielen emotionale Aspekte eine wichtige Rolle. Durch die Art und Weise des Umgangs miteinander können Trainerinnen und Trainer die Motivation der Athletinnen und Athleten beeinflussen (Lee, Wäsche und Jekauc, in press). Im Beitrag von Strauch, Wäsche und Jekauc untersuchten die Autoren im Rahmen einer qualitativen Studie die Kompetenzen der Trainerinnen und Trainer, die sich auf die Motivation der Sporttreibenden auswirken. Es wurde ein zweischichtiges Kompetenzmodell entwickelt, das allgemeine und trainerspezifische Kompetenzen identifiziert. Neben der Fachkompetenz, die in der Trainerausbildung eine große Rolle spielt, wurden auch sozial-emotionale Kompetenzen und Kontextsensibilität herausgearbeitet. Diese allgemeinen Kompetenzen scheinen die Grundlage für die drei trainerspezifischen Verhaltenskompetenzen zu sein: 1) Motivations-, 2) Adaptations- und 3) Organisationskompetenz. Diese Arbeit bietet einen Orientierungsrahmen dafür, wie die Trainierausbildung in verschiedenen Sportarten ergänzt werden könnte.

Im zweiten Originalbeitrag von Engels und Freund werden die Einflussfaktoren von Sportfreude im Kontext des Schulsports untersucht. Dies lehnt an Erkenntnisse an, dass positive Emotionen, wie z.B. Freude am Sport, wichtige Prädiktoren für eine langfristige körperliche Aktivität sind (Jekauc und Brand, 2017). In einer querschnittlichen Untersuchung mit 1.598 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 7–10 fanden die Autoren im Rahmen von Analysen von Strukturgleichungsmodellen heraus, dass Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit die wichtigsten und konsistentesten Prädiktoren des subjektiven Erlebens von Freude am Schulsport sind. Es ist interessant festzustellen, dass die Ergebnisse dieser korrelativen Studie auch experimentell im Kontext des Schulsports bestätigt werden konnten (Leisterer und Jekauc, 2017) und im Einklang mit den Erkenntnissen im Kontext des Freizeitsports stehen (vgl. Wienke & Jekauc, 2016). Die Erkenntnisse dieser Studie liefern konkrete Hinweise darauf, wie positive Emotionen im Sportunterricht gefördert werden könnten.

Dieses Themenheft soll bei den Lesenden das Interesse am Thema „Emotionen im Sport“ wecken, deren hohe Relevanz für den schul-, gesundheits- und leistungsorientierten Sport unterstreichen und dazu einladen, das relative Forschungsdefizit in diesem Forschungsbereich auszugleichen. In diesem Heft werden die subjektiven, motivationalen und verhaltensbezogenen Komponenten der Emotionen aus Blickwinkeln von drei unterschiedlichen Settings (Leistungs-, Schul- sowie Freizeit- und Gesundheitssports) bearbeitet. Daraus ergeben sich neue Forschungsideen, um die Erkenntnisse über diese Settings hinweg zu verknüpfen und integrative Perspektiven zu entwickeln. Weitere Studien werden folgen, um dieses sich rasant entwickelnde und praxisnahe Forschungsfeld voranzubringen.

Ich wünsche den Lesenden viel Freude beim Lesen des Themenheftes!

Darko Jekauc

Literatur

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Darko Jekauc, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Sportwissenschaften, Ginnheimer Landstraße 39, 60487 Frankfurt am Main, E-Mail