Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Zusammenfassung

Kinder haben vor vielen Dingen Angst: vor dem Allein-Gelassen-Werden,vor der Dunkelheit, dem Monster unter dem Bett, der bösen Stiefmutter und dem Riesen, der mit Vorliebe kleine Kinder frisst. Sie fiirchten sich vor „wilden Tieren“, brechen in Tränen aus, wenn Mama sie im Kindergarten abliefert, und geraten in Panik, wenn Onkel Albert sie bei einem seiner seltenen Besuche auf den Arm nehmen möchte. Dass Erwachsene — wie das Ehepaar Charles und Emma Darwin — Mühe haben, sich solche Ängste zu erklären, ist verständlich: Das Monster unter dem Bett ist schließlich nichts als Einbildung, das Kinderzimmer ist selbst in der dunkelsten Nacht der sicherste Hort, den man sich vorstellen kann, der Onkel ist ein lieber, harmloser Mann, und die böse Stiefmutter, der Kinder fressende Riese und auch der „bose Wolf“, sie alle existieren nur im Märchen, In Wirklichkeit ist der „böse Wolf“ gar nicht so böse:

„Noch heute haben viele Menschen panische Angst vor Wölfen, sodass sie ihnen in Albträumen erscheinen. Film und Fernsehen, Romane und Märchen bedienten sich seit jeher dieser angeblichen Urangst […]. Dieses schlechte Image hat der Wolf gänzlich zu Unrecht, denn es hat in historischer Zeit in Mitteleuropa vermutlich nie Todesfälle durch frei lebende Wölfe gegeben. Vielmehr meiden Wölfe den Menschen, sodass Angriffe, die der Mensch übrigens auch z.. B. durch Waffen, Lärm und Aufrechtstehen leicht abwehren könnte, recht unwahrscheinlich sind.“ (Nentwig, 2001)

„Es ist bekannt, wie stark Kinder […] unter verschwommenen und unbestimmten Ängsten leiden, wie der Dunkelheit oder wenn sie die dunkle Ecke eines großen Zimmers durchqueren müssen. Als Beispiel führe ich an, wie ich den Jungen, als er zweieinviertel Jahre alt war, in den Zoologischen Garten mitnahm und er alle Tiere vergnügt anschaute, die so aussahen wie jene, die er schon kannte, wie Rehe, Antilopen etc. und aile Vögel, soqar den Vogel Strauß, während die verschiedenen größeren Tiere in den Käfigen ihn sehr beunruhigten. Spärer sagte er oft, er wolle wieder hingehen, aber nicht „dle wilden Tiere in den Häusern“ sehen. Wir konnten uns diese Angst gar nicht erklären, Müssen wir nicht annehmen, daß die vagen, aber sehr realen Ängste von Kindern von Erfahrung ganz unabhängig und vielmehr ererbte Folge von wirklichen Ängsten und von elendem Aberglauben auf der Stufe der Wildheit sind?“ (C. Darwin, 1998 [1878])